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Lawmakers in the German Bundestag  (Lower House of Parliament) in Berlin, Germany on November 7, 2024.

Deutschland und die Menschenrechte

Bundestagswahl 2025: Forderungen an die politischen Parteien

Abgeordnete des Deutschen Bundestags in Berlin, Deutschland, am 7. November 2024.© 2024 Markus Schreiber/AP Photo

Die nächste Bundestagswahl in Deutschland findet im Februar 2025 statt. Im Dezember 2024 wandte sich Human Rights Watch an die politischen Parteien und legte in einem Forderungspapier die wichtigsten menschenrechtspolitischen Empfehlungen an den nächsten gewählten Bundestag dar.

Viele Wähler*innen der Bundesrepublik erwarten – wie auch viele Regierungen weltweit – von Deutschland, dass es die Menschenrechte auch in der gegenwärtig schwierigen nationalen und internationalen Lage wahrt und schützt. Während die deutschen Parteien ihre Programme für die bevorstehende Bundestagswahl vorbereiten, hat Human Rights Watch Empfehlungen zu wichtigen Menschenrechtsthemen in Deutschland und weltweit zusammengestellt.

Außenpolitik, Krisen und Konflikte

Vollständige Mobilisierung aller nationalen und internationalen Mechanismen für die Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit bei schweren Verbrechen, die in der Ukraine begangen wurden, sowie Unterstützung der Demokratie in der Ukraine in Kriegszeiten

Deutschland sollte sich weiterhin für eine unparteiische, unabhängige Rechenschaftspflicht für die zahlreichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine einsetzen. Die deutschen Justizbehörden sollten ihre Ermittlungen zu den in der Ukraine begangenen schweren Verbrechen fortsetzen, auch nach dem Grundsatz der universellen Gerichtsbarkeit. Die Bundesrepublik sollte zudem die Bemühungen zivilgesellschaftlicher Organisationen unterstützen, die Opfer in Fällen zu vertreten, die vor deutschen Gerichten verhandelt werden. Deutschland sollte dafür sorgen, dass der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) über angemessene Ressourcen verfügt, um alle seinen Zuständigkeitsbereich betreffenden Fälle zu bearbeiten, und sein diplomatisches Gewicht nutzen, um die Vertragsparteien zur Vollstreckung von IStGH-Haftbefehlen zu drängen, darunter auch der im März 2023 erlassene Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Deutschland sollte sich auch im EU-Rat dafür einsetzen, dass alle EU-Mitgliedstaaten die EU-Leitlinien zur Vermeidung von nicht unbedingt notwendigen Kontakten mit Personen, gegen die ein IStGH-Haftbefehl vorliegt, einhalten. Bei der Unterstützung des EU-Beitritts der Ukraine muss Deutschland sich entschieden dafür einsetzen, dass die ukrainischen Behörden in Kriegszeiten die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte einhalten.

Wahrung des humanitären Völkerrechts in Bezug auf Israel und Palästina

Die Bundesregierung hat zu Recht die Verbrechen verurteilt, die während und nach den Angriffen der von der Hamas angeführten Gruppen am 7. Oktober begangen wurden. Sie hat sich jedoch konsequent geweigert, schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch die israelischen Behörden im Gazastreifen, im Westjordanland und im Libanon, einschließlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, öffentlich zu kritisieren. Dies hat zu immer lauter werdenden Vorwürfen der Doppelmoral geführt und die Glaubwürdigkeit Deutschlands und der EU als prinzipienfeste außenpolitische Akteure untergraben. Deutschland sollte sich verpflichten, internationale Urteile zu Israel und Palästina umzusetzen, die EU dazu drängen, den Handel mit Israels illegalen Siedlungen zu verbieten, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel auszusetzen und gezielte Sanktionen gegen jene zu verhängen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Deutsche Waffenlieferungen an Israel sollten  ausgesetzt werden, ferner sollte die Bundesrepublik sich dazu verpflichten, Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen israelische Beamte und Hamas-Führer zu vollstrecken und andere Bemühungen um Rechenschaftspflicht unterstützen.

Menschenrechtsverletzungen in China deutlich und mit Nachdruck ansprechen

Deutschland sollte sich mit Nachdruck gegen die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung innerhalb und außerhalb des Landes aussprechen. Dazu gehören die massive Unterdrückung der Rede- und Meinungsfreiheit, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang, einschließlich willkürlicher Inhaftierungen und staatlich angeordneter Zwangsarbeit, religiöse und kulturelle Unterdrückung in Xinjiang und Tibet, der systematische Abbau der Demokratie in Hongkong und transnationale Repressionsmaßnahmen. Deutschland sollte sich an die Spitze der EU und der Vereinten Nationen stellen und deren mutige Maßnahmen unterstützen, um die chinesische Regierung dazu zu drängen, gegen die schweren Menschenrechtsverletzungen durch ihre Behörden vorzugehen. Insbesondere sollte Deutschland Initiativen anführen, um China dazu zu bewegen, den Empfehlungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in seinem Bericht über Xinjiang aus dem Jahr 2022 nachzukommen, in dem schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen dokumentiert wurden, die „möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“. Innerhalb der EU sollte Deutschland darauf drängen, dass Xinjiang in der Datenbank, die im Rahmen der kommenden EU-Zwangsarbeitsverordnung eingerichtet werden soll, als eine Region mit hohem Risiko für staatlich angeordnete Zwangsarbeit eingestuft und geführt wird.

Autoritarismus bekämpfen und Menschenrechtsverteidiger*innen unterstützen

Die Bundesrepublik sollte ihr politisches Gewicht nutzen, um die Rechenschaftspflicht für Verbrechen zu fördern, die von den Behörden in Russland und Belarus begangen wurden, sowohl im Ausland als auch in den beiden Ländern selbst. Dies sollte durch die Unterstützung russischer und belarussischer Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und der Zivilgesellschaft vor Ort und im Exil geschehen, unter anderem durch die Freilassung von Gefangenen, die Förderung der universellen Gerichtsbarkeit für Belarus und die aktive Unterstützung von UN-Rechenschaftsinstrumenten. Deutschland hat den Einfluss und die Ressourcen, auch über die EU, um eine prinzipienfeste Außenpolitik gegenüber dem zunehmenden Autoritarismus in der TürkeiAserbaidschanGeorgien und zentralasiatischen Staaten zu verfolgen. Diesen Einfluss und diese Ressourcen sollte Deutschland nutzen und die Behörden auffordern, die aus politischen Gründen Inhaftierten freizulassen. Zudem sollte Deutschland auf der Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestehen und diese unterstützen, indem es im Europarat eine entschlossenere Rolle bei nicht umgesetzten Urteilen übernimmt, der Ausbreitung von Gesetzen wie jenen zu "ausländischen Agenten" entgegenwirkt und der Zivilgesellschaft und den Medien flexible Unterstützung bei der Verteidigung der Demokratie bietet. Bilaterale Beziehungen und Geschäfte mit Drittländern wie IndienÄgyptenTunesienSaudi-Arabienden Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen sollten niemals ein Grund sein, die erschreckende Menschenrechtsbilanz dieser Regierungen zu ignorieren. Eine solche Selektivität kann die Glaubwürdigkeit Deutschlands auf der Weltbühne nur untergraben. Deutschland sollte seine künftigen Partnerschaften und die der EU an echte Reformen und Fortschritte bei den Menschenrechten knüpfen und die Zivilgesellschaft und Menschenrechts-verteidiger*innen, die bedroht sind, aktiv unterstützen.

Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von transnationaler Repression

Viele autoritäre Regierungen versuchen, ihre im Ausland lebenden Staatsbürger*innen zu kontrollieren und zum Schweigen zu bringen. Hierbei handelt es sich um transnationale Repression (TNR). Auch in Deutschland kommt diese häufig vor, wie die Berichterstattung von Human Rights Watch zeigt. Die Behörden sind jedoch schlecht aufgestellt, um dies zu verhindern und die Betroffenen zu schützen. Eine nationale Koordinierungsstelle würde die Reaktionsfähigkeit der Ministerien für innen-, außen- sowie migrationspolitische Angelegenheiten, der Polizei und anderer Stellen verbessern und eine bessere Dokumentation der Fälle, eine wirksame Überwachung, die strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen, Druck auf Staaten, die an TNR beteiligt sind, und die Unterstützung der Betroffenen gewährleisten.

Stärkung der Führungsrolle Deutschlands bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten

Die Zivilbevölkerung leidet am stärksten unter den Konflikten im Sudanin der Sahelzonein Myanmar und in anderen Regionen. Deutschland sollte seine politische und diplomatische Hebelkraft auf bilateraler Ebene, in der EU und in den Vereinten Nationen nutzen, um Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu beenden, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und internationale Gerichte, andere glaubwürdige Rechenschaftsmechanismen und die Anwendung der universellen Gerichtsbarkeit zu unterstützen, um der Straflosigkeit ein Ende zu setzen. Deutschland sollte sich zudem verpflichten, Waffenlieferungen vorab zu prüfen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die entsprechenden Waffen zur Begehung von Menschenrechtsverletzungen verwendet werden. Solche Lieferungen sollten dann ggf. ausgesetzt oder reglementiert werden. Deutschland sollte sich gegen Abschiebungen von Asylsuchenden in Länder aussprechen, in denen die Betroffenen nicht sicher sind, wie z.B. Syrien oder Afghanistan. Zudem sollte die Bundesrepublik auf einer die Menschenrechte achtenden Konfliktlösung zwischen Armenien und Aserbaidschan bestehen und sicherstellen, dass die Rechte der ethnischen Armenier*innen aus Berg-Karabach in den Friedensgesprächen und den Diskussionen über die Grenzziehung berücksichtigt werden.

Asyl und Migration in Europa

Auf nationaler Ebene eine die Rechte achtende Umsetzung des EU-Pakts zu Migration und Asyl vorantreiben und auf EU-Ebene unterstützen, um das Recht auf Asyl sowie gerechte und effiziente Verfahren zu gewährleisten

Der Pakt bekräftigt das Grundrecht, in der EU Asyl zu suchen, führt aber auch Konzepte und Maßnahmen ein, die eben dieses Recht untergraben könnten. Hierzu gehören die weit verbreiteten Festnahmen an den Grenzen, abgeschwächte Asylstandards und der Missbrauch von „Krisen“- oder „Instrumentalisierungs“-Maßnahmen. Deutschland sollte sich für eine Umsetzung des Pakts einsetzen, die diese Risiken mindert und sowohl die Menschenrechte als auch das Flüchtlingsrecht wahrt. Es sollte sich zudem für Vorschläge einsetzen, die eine wirksame Überwachung und Rechenschaftspflicht bei Menschenrechtsverletzungen und Abschiebungen an den europäischen Grenzen ermöglichenu.a. durch die Ausweitung und Sicherstellung der im Pakt vorgesehenen unabhängigen Überwachungsmechanismen und durch die Stärkung der Rechenschaftspflicht bei Rechtsverletzungen sowie durch Sanktionen bei solchen Verletzungen.

Förderung und Unterstützung angemessener Such- und Rettungsaktivitäten (SAR) im Mittelmeer sowie einer sicheren und zeitnahen Ausschiffung im nächstgelegenen sicheren Hafen und der Schaffung eines Umfelds, in dem nichtstaatliche humanitäre Gruppen, die SAR durchführen, Hilfe leisten können

Deutschland sollte sich für angemessene SAR-Kapazitäten in der EU einsetzen, unter anderem durch die Luftüberwachung durch Frontex, zivilgesellschaftliche Organisationen, die SAR durchführen, entschieden verteidigen und darauf bestehen, dass die Zusammenarbeit mit Drittländern auf Einsätze beschränkt wird, die unbedingt erforderlich sind, um den drohenden Verlust von Menschenleben zu minimieren. Eine solche Zusammenarbeit mit Drittstaaten sollte an die Bedingung geknüpft sein, dass deren Einsatz nicht zur Ausschiffung in nicht sicheren Häfen führt. Deutschland sollte seine Rolle im Frontex-Verwaltungsrat und innerhalb der EU nutzen, um Frontex zu ermutigen, nichtstaatliche Rettungsschiffe auf See systematisch zu informieren und regelmäßig Notfallwarnungen abzugeben, um in einem entsprechenden Fall alle Schiffe in der Nähe zu mobilisieren und den Verlust von Menschenleben zu verhindern.

Wahrung der EU- und völkerrechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf den Zugang zu territorialem Asyl in der EU und Gewährleistung, dass die Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich Migration und Asyl an die Achtung der Rechte von Migrant*innen, Asylsuchenden und Geflüchteten geknüpft wird

Deutschland sollte Vorschläge zur Auslagerung und Externalisierung von Asylverfahren als rechtswidrig und nicht praktikabel zurückweisen und sich Vorschlägen zur Überarbeitung oder Aufweichung der Sicherheitskriterien des Konzepts von „sicheren Drittstaaten“ in der Asylverfahrensverordnung im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtzurückweisung widersetzen. Die EU-Strategie der Eindämmung, um die Ankunft von Geflüchteten und Migrant*innen zu verhindern, stützt sich auf Partnerschaftsabkommen mit Drittländern, welche deren Menschenrechtsbilanz wenig bis gar nicht berücksichtigen. Deutschland sollte sicherstellen, dass keine Gelder für die Zusammenarbeit im Bereich Migration an Einrichtungen fließen, die in Drittstaaten in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Im Vorfeld einer Zusammenarbeit mit oder der Unterstützung von Drittstaaten im Bereich Asyl und Migration sollte Deutschland darauf bestehen, dass die daraus folgenden Auswirkungen auf die Menschenrechte abgeschätzt werden. Zudem sollte Deutschland auf eine unabhängige Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte drängen. Eine Nichteinhaltung könnte somit zur Aussetzung der entsprechenden Finanzierung führen. Die Bundesrepublik sollte sicherstellen, dass Migrationspartnerschaften niemals dazu führen, dass Deutschland selbst oder die EU die Verletzung von anderen Grundrechten in den beteiligten Ländern nicht berücksichtigt.

Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in Europa

Mit anderen rechtsstaatlichen Regierungen im EU-Rat auf eine ausreichende Mehrheit hinarbeiten, um im Jahr 2025 eine Vier-Fünftel-Abstimmung über das Bestehen eines eindeutigen Risikos eines Verstoßes gegen die Werte des EU-Vertrags in Ungarn durchzuführen

Die ungarische Regierung hat die demokratischen Institutionen des Landes immer wieder in einer Weise untergraben, welche die Menschenrechte verletzt und die Werte der EU bedroht. Die Gerichte können nicht mehr unabhängig arbeiten, der Medienpluralismus schrumpft. Die Zivilgesellschaft ist bedroht. Das neue Gesetz zur Verteidigung der Souveränität, gegen das die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, wird zur Schikanierung der Zivilgesellschaft und der unabhängigen Medien eingesetzt. Die ungarische Regierung regiert seit nunmehr vier Jahren per Notstandsdekret. Während Vertragsverletzungsverfahren und Verfahren der finanziellen Konditionalität weiterhin wichtig sind, ist das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV, das vor sechs Jahren gegen Ungarn eingeleitet wurde, das einzige Instrument, um gegen systemische Angriffe auf die Werte des EU-Vertrags vorzugehen. Politische Maßnahmen in diesem Bereich liegen weiterhin beim EU-Rat.

Schutz des zivilgesellschaftlichen Raums einschließlich des Rechts auf Protest in Deutschland und der gesamten EU

Die Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen und positive Veränderungen voranzutreiben. Deutschland schränkt Aktivismus ein, indem es die Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Pro-Palästina- und Klimaprotesten einschränkt und Strafanzeige gegen friedliche Klimaaktivist*innen stellt. Deutschland sollte sich stattdessen für die Wahrung dieser demokratischen Rechte einsetzen und den Raum für friedlichen Protest und Dissens schützen und zugänglicher machen. Deutschland sollte zudem eine Führungsrolle beim Schutz des zivilgesellschaftlichen Raums innerhalb der EU übernehmen, indem es die EU-Institutionen ermutigt, diese Rechte in anderen Mitgliedstaaten zu verteidigen, und sich Initiativen auf EU-Ebene widersetzt, wie der vorgeschlagenen Richtlinie zur Transparenz der Interessenvertretung im Namen von Drittländern, die das Risiko birgt, mit ausländischen Mitteln finanzierte zivilgesellschaftliche Gruppen zu stigmatisieren.

Führungsstärke zeigen bei EU-Maßnahmen zur Wahrung der Medienfreiheit, einschließlich Maßnahmen gegen SLAPPs

Die Medienfreiheit ist in der EU, auch in Ungarn und Griechenland, sowie weltweit bedroht. Der Einsatz von sog. SLAPPs, also strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung, stellt eine besondere Bedrohung in der EU dar. Deutschlands Führungsrolle in dieser Frage ist entscheidend. Freie und unabhängige Medien sind der Eckpfeiler einer gesunden Demokratie, da sie den freien Informationsfluss, die Rechenschaftspflicht der Machthabenden und eine Plattform für verschiedenste Meinungen ermöglichen. Als führendes EU-Mitglied sollte Deutschland für diese Grundsätze eintreten und sich innerhalb der EU für einen stärkeren Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in allen Mitgliedstaaten einsetzen. Diese müssen somit auch vor SLAPPs geschützt werden. 

Konkrete Maßnahmen zur Beseitigung der Ursachen von Diskriminierung und hassmotivierter Gewalt und systematische Erhebung aufgeschlüsselter Gleichstellungsdaten zur Gewährleistung wirksamer politischer Maßnahmen

Deutschland hat ein ernsthaftes Problem mit Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gegenüber Migrant*innen, das sich in Gewalt äußert und strukturell verankert ist. Die Reaktion der Behörden auf diese miteinander verbundenen Probleme war bislang unbefriedigend und bisweilen sogar kontraproduktiv. Dazu gehört, dass der Fokus bislang zu stark darauf gelegt wurde, die Kritik an Israel einzudämmen und Migrant*innen für den Antisemitismus verantwortlich zu machen, während der „einheimische“ Hass gegen Jüd*innen heruntergespielt und die Aufklärung und der interkulturelle Dialogvernachlässigt wird, die notwendig sind, um Antisemitismus bekämpfen. Antimuslimischer Hass wurde weitgehend ignoriert. Deutschland versäumt es bislang zudem, systematisch aufgeschlüsselte Daten zu erheben, die notwendig sind, um strukturelle Diskriminierung und ihre Ursachen zu verstehen und wirksame politische Antworten darauf zu finden.

Wirtschaftliche, soziale und ökologische Gerechtigkeit und globale Fragen

Einsatz für ein Niveau der sozialen Sicherheit in Deutschland, das einen angemessenen Lebensstandard in allen Lebensabschnitten gewährleistet

Die Zahl der Armutsbetroffenen in Deutschland steigt, wobei bestimmte Gruppen wie Alleinerziehende, ältere Menschen und größere Familien besonders von den steigenden Kosten betroffen sind. Bestehende Sozialabsicherungsmechanismen wie das Bürgergeld und die Grundsicherung können dazu führen, dass sich die Empfänger*innen gefährlich nahe an der offiziellen Armutsgrenze bewegen, die wiederum unter dem liegt, was die Menschen tatsächlich benötigen, um ihre Rechte zu verwirklichen. Die geplante Kindergrundsicherung ist ins Stocken geraten. Aufgrund seiner internationalen Menschenrechtsverpflichtungen und seines verfassungsrechtlichen Konzepts des Existenzminimums muss die Bundesrepublik sicherstellen, dass die Höhe der Sozialleistungen ausreicht, um das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten.

Verpflichtung zur raschen Umsetzung der EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) in nationales Recht

Es werden strenge verbindliche Menschenrechts- und Umweltgesetze benötigt, die Unternehmen verpflichten, Menschenrechtsverletzungen weltweit zu verhindern und zu bekämpfen. Deutschland sollte den EU-Vorgaben zügig folgen und die EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht bei Nachhaltigkeitsaspekten ambitioniert in nationales Recht umsetzen. Das Schutzniveau des deutschen Gesetzes über die Sorgfaltspflicht in Lieferketten sollte beibehalten und der effektive Rechtsschutz gestärkt werden.  

Unterstützung einer menschenrechtsorientierten Reform der internationalen Wirtschaftsregeln durch die Förderung einer starken UN-Steuerkonvention, einer Reform der internationalen Finanzarchitektur auf der 4. Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) und einer angemessenen Finanzierung der Länder des Globalen Südens zur Bewältigung der Klimakrise

Fehlende Mittel für öffentliche Dienstleistungen und soziale Absicherung sowie große Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Ländern bedrohen weltweit die Menschenrechte und verschärfen die Klimakrise. Angesichts dreier laufender wichtiger internationaler Verhandlungen (Klimaverhandlungen auf der COP30 und darüber hinaus, FfD4, UN-Steuerkonvention) werden die nächsten zwei Jahre entscheidend sein, um einige der internationalen Wirtschaftsregeln zu reformieren, damit die Länder fiskalischen Spielraum zurückgewinnen und das Vertrauen in den Multilateralismus wiederherstellen können, indem das internationale Wirtschaftssystem gerechter gestaltet wird. Deutschland hat es abgelehnt, die Aufnahme von formellen Verhandlungen über eine UN-Steuerkonvention aktiv zu unterstützen. Die Bundesrepublik sollte aufhören, legitime Forderungen nach Reformen der internationalen Finanzarchitektur zu blockieren, die insbesondere von Ländern des Globalen Südens priorisiert werden, und sich innerhalb der EU dafür einsetzen, dass diese sich für die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte starkmacht. 

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